Roman Ehrlich
In den Gesetzen von Platon, die ein Gespräch darüber sind, wie die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen gestaltet werden könnte bzw. gestaltet werden muss, findet sich ein Absatz darüber, wie mit Personen, Tieren oder auch Dingen zu verfahren ist, die Schuld haben am Tod eines Menschen. Für den Mord unter Menschen wird vorgeschlagen, dass der Mörder seinerseits hingerichtet, der Leichnam vor die Stadt getragen und dort gesteinigt und der gesteinigte Leichnam alsdann an die Landesgrenze gebracht und hinausgeworfen werden soll.
Dasselbe Verfahren soll auch auf Tiere angewendet werden, die den Tod eines Menschen zu verantworten haben. Als Letztes in der Aufzählung wird schließlich auf die leblosen Gegenstände eingegangen:
„Wenn ferner ein lebloser Gegenstand einem Menschen das Leben raubt (mit Ausnahme aller Fälle, da etwa ein Blitz oder sonst ein ähnliches, vom Himmel kommendes Geschoss diese Wirkung hervorbringt), oder wenn sonst etwas einen Menschen tötet, indem es auf ihn fällt oder er selbst darauf fällt, so soll der Anverwandte den nächsten Nachbar dafür zum Richter bestellen, für sich selbst und die ganze Familie die Blutschuld durch Reinigung ablehnen und den schuldigen Gegenstand über die Grenze bringen, wie es bei den Tieren [und den Menschen] angegeben ist.“
Die Bestrafung, so wie sie hier beschrieben wird, setzt Schuldfähigkeit voraus. Dafür, dass etwas Schuld haben kann – an z.B. dem Tod eines Menschen – gibt es allerdings noch die vorgelagerte Voraussetzung des Bewusstseins oder zumindest der Empfindung. Für das Tier, das Schuld hat, gilt, dass es sich seiner Erziehung und Domestizierung widersetzt hat. Es hat den unausgesprochenen Vertrag gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit einseitig aufgekündigt und kann nun zur Verantwortung gezogen werden. Das Tier, das getötet hat, steht im Vergleich zu all den anderen Tieren, die nicht getötet haben, unter dem Verdacht, die Unantastbarkeit menschlichen Lebens willentlich missachtet zu haben. Es hat sich als stumpfsinnig erwiesen im Hinblick auf seine empathische Empfindungsfähigkeit und als kategorisch asozial. Daher kann es, oder muss es, nach Platons Definition, seinerseits getötet werden und aus dem gemeinschaftlichen Raum entfernt.
Der Gegenstand, der am Tod eines Menschen Schuld hat, hat auf eine ähnliche Weise enttäuscht. Obwohl der Vorwurf des Stumpfsinns am leblosen Gegenstand vergeblich wirkt, kann der Gegenstand nicht von aller Verantwortung freigesprochen werden.
Die Tatsache, dass dem leblosen Objekt überhaupt Schuld zugewiesen werden kann, dass es enttäuschen kann (und das ist der Grund, weshalb Platon eine klare Unterscheidung macht zwischen den Gegenständen auf der Erde und denen, die vom Himmel fallen), gründet in der Erwartung der Menschen an die von ihnen geschaffenen Dinge.
Die Wut, die zum Beispiel aufkommt, wenn sich ein Mensch an einem Gegenstand verletzt (in einer Tür einklemmt, mit einem Messer schneidet, etc.), ist nicht nur Wut über den eigenen ungeschickten Umgang mit dem Gegenstand – es ist gleichzeitig auch eine Wut auf das Objekt selbst, das ursprünglich geschaffen war, um das Leben der Menschen zu erleichtern, und das sich jetzt gegen den Menschen kehrt, und ihn, anstatt ihn von seiner Körperlichkeit bzw. der Beschränktheit seines Körpers zu entlasten, auf diesen Körper und dessen Empfindlichkeit zurückwirft.
Gegenstände, die sich solcherart gegen ihre Schöpfer schuldig gemacht haben, sollen also ebenfalls aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und entsorgt werden, über die Grenze gebracht, wo sich in einer Analogie zu den Platonischen Gesetzen in unserer gegenwärtigen Zeit die Deponien und Verbrennungsanlagen befinden, für all die Objekte, die in sie gesetzte Hoffnungen und Erwartungen der Menschen nicht oder nicht mehr erfüllen können.
Umgekehrt werden unter den Objekten, die den Menschen gute Dienste erwiesen haben, regelmäßig solche ausgewählt, die künftig eine Stellvertreterrolle bekleiden sollen und ihre Art sowie ihre Zeit repräsentieren – in wiederum eigens dafür von den Menschen geschaffenen Vitrinen und Schaukästen in Museen ausgestellt und auf diese Art von ihrer Verantwortung teilweise befreit oder zumindest in ihrem Zweck soweit umgedeutet, dass die Leistung, die sie für ihre Schöpfer erbringen, eine ganz andere ist als der ursprünglich bei ihrer Herstellung in sie hineinprojizierte Wunsch (das Tragen von Wasser vom Brunnen in die Hütte, das Schützen vor Kälte, das Zerteilen von Gewebe).
Die Vitrine, in der ein solches repräsentatives Objekt ausgestellt wird, ist im Hinblick auf ihre Verantwortung, die Übersetzung in das Bedürfnis des Menschen, das zu ihrer Herstellung geführt hat, eine Art Objekt zweiter Ordnung. Sie behütet nicht das empfindungsbegabte Gewebe seiner Hersteller, wie ein Mantel oder ein Haus, sondern ein anderes lebloses Objekt. Der Wunsch und das Bedürfnis, die in sie hineinprojiziert wurden, lassen sich nicht direkt auf ein körperliches Unbehagen oder einen Mangel zurückführen. Es ist ein Überfluss im Prozess der Erschaffung kultureller Artefakte. Eine Feier des Schaffens oder der Schöpfung selbst. Die Funktion, die dem Schaukasten zukommt, ist, das von den Menschen Erschaffene sicher zu verwahren und gleichzeitig sichtbar den Menschen vor Augen zu führen, damit sie sich selbst in ihrer Eigenart als schöpfende und erschaffende Wesen besser begreifen. Und um der in den ausgestellten Gegenständen geronnenen Schöpfungsarbeit der Vorfahren ein Denkmal zu setzen.
Die Arbeit der Vorstellung und der Verwirklichung bleibt in den geschaffenen Objekten gespeichert, nicht zuletzt in der Funktion, die sie für die Menschen erfüllen sollen (also durch die Projektion des Menschen in das Objekt). Der ein durch Menschen geschaffenes Artefakt anschauende Mensch begreift, bewusst oder unbewusst, dass sein Menschsein, seine Körperlichkeit und seine Empfindungen objektivierbar sind, weil sie durch Schöpfungsarbeit in die Außenwelt transferiert werden können. Die Arbeit der Erschaffung eines Gegenstandes überträgt dem Gegenstand automatisch die Verantwortung, für den Menschen da zu sein und ihn zu unterstützen. Erst diese übertragene Verantwortung ermöglicht eine Enttäuschung der Menschen über die von ihnen erschaffene Welt. Im Fall der Vitrine wäre das die Verantwortung, dem Menschen seine erfolgreiche Selbstausdehnung in die Welt der Objekte zu spiegeln und ihm zu helfen, diesen Prozess gleichsam als etwas Nicht-Innerliches zu erfahren.
Das Kunstwerk der tatsächlichen, physischen Dekonstruktion des Schaukastens gibt diesen Vorgang auf eine fast magische Art plastisch wieder:
Die Messingprofile, die vormals die Aufgabe erfüllt haben, die Glasscheiben zu umrahmen und zusammen zu halten, wurden vom Kasten entfernt, ebenso das Glas selbst (wodurch der Schutzraum für das Objekt in einzelne Flächen und Streben zerfallen ist). Mit einer Metallsäge wurden die Profile scheibchenweise in gleich große Stücke zersägt und diese Stücke dann neu angeordnet. Die labyrinthischen Strukturen, die sich aus dieser Arbeit teilweise ergeben haben, wirken wie die frühen Iterationsschritte von Fraktalen (Drachenkurven und anderen Lindenmeyer-Systemen) – also einer mathematischen Disziplin, die durch Wiederholung geschlossener Reihen von Funktionen komplexe geometrische Figuren erzeugt:
[Abb.: 3-4 Iterationsschritte Drachenkurve]
Die dargestellte Grafik in ihrer höchsten Komplexität könnte mit der Objektwelt verglichen werden, die in immer neuen Schritten und Verzweigungen durch die Arbeit der Menschen entstanden ist und im Kern doch immer auf das Bedürfnis der Entlastung des menschlichen Körpers zurückzuführen ist. Im Fall des Fraktals wäre dieser Kern der Startpunkt, der rechte Winkel.
Das Kunstwerk der Dekonstruktion des Schaukastens ist gleichsam ein Rückbau der Iterationsschritte menschlichen Schaffens. Die komplexe Struktur der Objektwelt und ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen wird schrittweise zurückgebaut in den rechten Winkel, der uns dann tatsächlich physisch vorliegt als Statthalter unserer Erwartung – und der, in seinen neuen Kontexten, sofort wieder an die Arbeit der Selbstausdehnung in das Artefakt erinnert:
An Nähmuster, Parkettböden, Reifenprofile, Ketten, Gürtel, aber auch an Stellvertreter der überflüssigen Arbeit: Labyrinthe, die vom Menschen geschaffen sind, um sich darin der eigenen Orientierungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz gewahr zu werden.
Die Schöpfungsarbeit, die den Wunsch nach körperlicher Entlastung und Selbstobjektivierung in der Welt der Gegenstände festschreibt mit jedem geschaffenen Objekt, bleibt jedenfalls in diesen Objekten für immer aufgespeichert. Das Zurückgehen entlang ihrer Iterationsschritte, der Abstufungen ihrer Komplexität, zeigt die Verantwortung auf, die wir der Welt der Artefakte übertragen. Und die am Ende doch nichts anderes ist als die Verantwortung der Menschen für ihre erfolgreiche Ausdehnung in die Welt.
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Roman Ehrlich
In den Gesetzen von Platon, die ein Gespräch darüber sind, wie die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen gestaltet werden könnte bzw. gestaltet werden muss, findet sich ein Absatz darüber, wie mit Personen, Tieren oder auch Dingen zu verfahren ist, die Schuld haben am Tod eines Menschen. Für den Mord unter Menschen wird vorgeschlagen, dass der Mörder seinerseits hingerichtet, der Leichnam vor die Stadt getragen und dort gesteinigt und der gesteinigte Leichnam alsdann an die Landesgrenze gebracht und hinausgeworfen werden soll.
Dasselbe Verfahren soll auch auf Tiere angewendet werden, die den Tod eines Menschen zu verantworten haben. Als Letztes in der Aufzählung wird schließlich auf die leblosen Gegenstände eingegangen:
„Wenn ferner ein lebloser Gegenstand einem Menschen das Leben raubt (mit Ausnahme aller Fälle, da etwa ein Blitz oder sonst ein ähnliches, vom Himmel kommendes Geschoss diese Wirkung hervorbringt), oder wenn sonst etwas einen Menschen tötet, indem es auf ihn fällt oder er selbst darauf fällt, so soll der Anverwandte den nächsten Nachbar dafür zum Richter bestellen, für sich selbst und die ganze Familie die Blutschuld durch Reinigung ablehnen und den schuldigen Gegenstand über die Grenze bringen, wie es bei den Tieren [und den Menschen] angegeben ist.“
Die Bestrafung, so wie sie hier beschrieben wird, setzt Schuldfähigkeit voraus. Dafür, dass etwas Schuld haben kann – an z.B. dem Tod eines Menschen – gibt es allerdings noch die vorgelagerte Voraussetzung des Bewusstseins oder zumindest der Empfindung. Für das Tier, das Schuld hat, gilt, dass es sich seiner Erziehung und Domestizierung widersetzt hat. Es hat den unausgesprochenen Vertrag gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit einseitig aufgekündigt und kann nun zur Verantwortung gezogen werden. Das Tier, das getötet hat, steht im Vergleich zu all den anderen Tieren, die nicht getötet haben, unter dem Verdacht, die Unantastbarkeit menschlichen Lebens willentlich missachtet zu haben. Es hat sich als stumpfsinnig erwiesen im Hinblick auf seine empathische Empfindungsfähigkeit und als kategorisch asozial. Daher kann es, oder muss es, nach Platons Definition, seinerseits getötet werden und aus dem gemeinschaftlichen Raum entfernt.
Der Gegenstand, der am Tod eines Menschen Schuld hat, hat auf eine ähnliche Weise enttäuscht. Obwohl der Vorwurf des Stumpfsinns am leblosen Gegenstand vergeblich wirkt, kann der Gegenstand nicht von aller Verantwortung freigesprochen werden.
Die Tatsache, dass dem leblosen Objekt überhaupt Schuld zugewiesen werden kann, dass es enttäuschen kann (und das ist der Grund, weshalb Platon eine klare Unterscheidung macht zwischen den Gegenständen auf der Erde und denen, die vom Himmel fallen), gründet in der Erwartung der Menschen an die von ihnen geschaffenen Dinge.
Die Wut, die zum Beispiel aufkommt, wenn sich ein Mensch an einem Gegenstand verletzt (in einer Tür einklemmt, mit einem Messer schneidet, etc.), ist nicht nur Wut über den eigenen ungeschickten Umgang mit dem Gegenstand – es ist gleichzeitig auch eine Wut auf das Objekt selbst, das ursprünglich geschaffen war, um das Leben der Menschen zu erleichtern, und das sich jetzt gegen den Menschen kehrt, und ihn, anstatt ihn von seiner Körperlichkeit bzw. der Beschränktheit seines Körpers zu entlasten, auf diesen Körper und dessen Empfindlichkeit zurückwirft.
Gegenstände, die sich solcherart gegen ihre Schöpfer schuldig gemacht haben, sollen also ebenfalls aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und entsorgt werden, über die Grenze gebracht, wo sich in einer Analogie zu den Platonischen Gesetzen in unserer gegenwärtigen Zeit die Deponien und Verbrennungsanlagen befinden, für all die Objekte, die in sie gesetzte Hoffnungen und Erwartungen der Menschen nicht oder nicht mehr erfüllen können.
Umgekehrt werden unter den Objekten, die den Menschen gute Dienste erwiesen haben, regelmäßig solche ausgewählt, die künftig eine Stellvertreterrolle bekleiden sollen und ihre Art sowie ihre Zeit repräsentieren – in wiederum eigens dafür von den Menschen geschaffenen Vitrinen und Schaukästen in Museen ausgestellt und auf diese Art von ihrer Verantwortung teilweise befreit oder zumindest in ihrem Zweck soweit umgedeutet, dass die Leistung, die sie für ihre Schöpfer erbringen, eine ganz andere ist als der ursprünglich bei ihrer Herstellung in sie hineinprojizierte Wunsch (das Tragen von Wasser vom Brunnen in die Hütte, das Schützen vor Kälte, das Zerteilen von Gewebe).
Die Vitrine, in der ein solches repräsentatives Objekt ausgestellt wird, ist im Hinblick auf ihre Verantwortung, die Übersetzung in das Bedürfnis des Menschen, das zu ihrer Herstellung geführt hat, eine Art Objekt zweiter Ordnung. Sie behütet nicht das empfindungsbegabte Gewebe seiner Hersteller, wie ein Mantel oder ein Haus, sondern ein anderes lebloses Objekt. Der Wunsch und das Bedürfnis, die in sie hineinprojiziert wurden, lassen sich nicht direkt auf ein körperliches Unbehagen oder einen Mangel zurückführen. Es ist ein Überfluss im Prozess der Erschaffung kultureller Artefakte. Eine Feier des Schaffens oder der Schöpfung selbst. Die Funktion, die dem Schaukasten zukommt, ist, das von den Menschen Erschaffene sicher zu verwahren und gleichzeitig sichtbar den Menschen vor Augen zu führen, damit sie sich selbst in ihrer Eigenart als schöpfende und erschaffende Wesen besser begreifen. Und um der in den ausgestellten Gegenständen geronnenen Schöpfungsarbeit der Vorfahren ein Denkmal zu setzen.
Die Arbeit der Vorstellung und der Verwirklichung bleibt in den geschaffenen Objekten gespeichert, nicht zuletzt in der Funktion, die sie für die Menschen erfüllen sollen (also durch die Projektion des Menschen in das Objekt). Der ein durch Menschen geschaffenes Artefakt anschauende Mensch begreift, bewusst oder unbewusst, dass sein Menschsein, seine Körperlichkeit und seine Empfindungen objektivierbar sind, weil sie durch Schöpfungsarbeit in die Außenwelt transferiert werden können. Die Arbeit der Erschaffung eines Gegenstandes überträgt dem Gegenstand automatisch die Verantwortung, für den Menschen da zu sein und ihn zu unterstützen. Erst diese übertragene Verantwortung ermöglicht eine Enttäuschung der Menschen über die von ihnen erschaffene Welt. Im Fall der Vitrine wäre das die Verantwortung, dem Menschen seine erfolgreiche Selbstausdehnung in die Welt der Objekte zu spiegeln und ihm zu helfen, diesen Prozess gleichsam als etwas Nicht-Innerliches zu erfahren.
Das Kunstwerk der tatsächlichen, physischen Dekonstruktion des Schaukastens gibt diesen Vorgang auf eine fast magische Art plastisch wieder:
Die Messingprofile, die vormals die Aufgabe erfüllt haben, die Glasscheiben zu umrahmen und zusammen zu halten, wurden vom Kasten entfernt, ebenso das Glas selbst (wodurch der Schutzraum für das Objekt in einzelne Flächen und Streben zerfallen ist). Mit einer Metallsäge wurden die Profile scheibchenweise in gleich große Stücke zersägt und diese Stücke dann neu angeordnet. Die labyrinthischen Strukturen, die sich aus dieser Arbeit teilweise ergeben haben, wirken wie die frühen Iterationsschritte von Fraktalen (Drachenkurven und anderen Lindenmeyer-Systemen) – also einer mathematischen Disziplin, die durch Wiederholung geschlossener Reihen von Funktionen komplexe geometrische Figuren erzeugt:
[Abb.: 3-4 Iterationsschritte Drachenkurve]
Die dargestellte Grafik in ihrer höchsten Komplexität könnte mit der Objektwelt verglichen werden, die in immer neuen Schritten und Verzweigungen durch die Arbeit der Menschen entstanden ist und im Kern doch immer auf das Bedürfnis der Entlastung des menschlichen Körpers zurückzuführen ist. Im Fall des Fraktals wäre dieser Kern der Startpunkt, der rechte Winkel.
Das Kunstwerk der Dekonstruktion des Schaukastens ist gleichsam ein Rückbau der Iterationsschritte menschlichen Schaffens. Die komplexe Struktur der Objektwelt und ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen wird schrittweise zurückgebaut in den rechten Winkel, der uns dann tatsächlich physisch vorliegt als Statthalter unserer Erwartung – und der, in seinen neuen Kontexten, sofort wieder an die Arbeit der Selbstausdehnung in das Artefakt erinnert:
An Nähmuster, Parkettböden, Reifenprofile, Ketten, Gürtel, aber auch an Stellvertreter der überflüssigen Arbeit: Labyrinthe, die vom Menschen geschaffen sind, um sich darin der eigenen Orientierungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz gewahr zu werden.
Die Schöpfungsarbeit, die den Wunsch nach körperlicher Entlastung und Selbstobjektivierung in der Welt der Gegenstände festschreibt mit jedem geschaffenen Objekt, bleibt jedenfalls in diesen Objekten für immer aufgespeichert. Das Zurückgehen entlang ihrer Iterationsschritte, der Abstufungen ihrer Komplexität, zeigt die Verantwortung auf, die wir der Welt der Artefakte übertragen. Und die am Ende doch nichts anderes ist als die Verantwortung der Menschen für ihre erfolgreiche Ausdehnung in die Welt.
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